Je länger ich mich mit dem Thema „Hören“ und speziell mit unserem Gehör beschäftige, desto faszinierender erscheint es mir. Allein unser Innenohr, das Schallwellen in elektrische Signale umwandelt, ist ein Wunderwerk. In diesem Artikel möchte ich beleuchten, wofür unser Gehör da ist, für welche Lebensumgebungen es geschaffen wurde und wofür eher nicht.
Wofür hören wir eigentlich? Um Kontakt mit unserer Außenwelt aufzunehmen, haben wir doch bereits verschiedene Sinne zur Verfügung: Wir können riechen, schmecken, sehen und fühlen. Wofür dann noch das Hören? Es gibt übrigens Tierarten, die nicht hören können, wie z.B. Spinnen, Tintenfische und Schlangen.
„Sehen verbindet mit den Dingen, hören mit den Menschen“, sagt Prof. Dr. Robert Behr, emeritierter Neurochirurg des Klinikums Fulda. Ein interessanter Satz. Hören verbindet uns Lebewesen miteinander. Wer schlecht hört oder nicht mehr hört, fühlt sich rasch isoliert. Das Hören hat also eine große Bedeutung für unser soziales Miteinander.
Aus entwicklungsgeschichtlicher Sicht hat das Hören noch eine andere sehr wichtige Funktion: Es dient dem Überleben. Unsere Vorfahren waren viele hunderttausende Jahre lang darauf angewiesen, mittels des Hörens einzuschätzen, ob von einer Geräuschquelle potentielle Gefahr (z.B. ein wildes Tier im Gebüsch) ausging oder nicht. Auch wenn es Tierarten gibt, die weitaus besser hören, verfügt der Mensch doch über ein sehr leistungsfähiges Hörorgan, das in der Lage ist, in der freien Natur über weite Strecken Geräusche wahrzunehmen. Anders als der Sehsinn, mit dem wir unsere Umgebung vor und seitlich von uns mit einem Gesichtsfeld von etwa 180 Grad wahrnehmen können, hören wir kugelförmig, d.h. wir können Geräusche von allen Seiten wahrnehmen, ohne unseren Kopf zu bewegen. Auch sind unsere Ohren im Gegensatz zu den Augen stets geöffnet, so dass wir auch im Schlaf hören und, bei lauteren Geräuschen, aufwachen, was unter Umständen ebenfalls eine überlebenssichernde Fähigkeit darstellen kann.
Natürlich können Tinnitus, Schwindel und Schwerhörigkeit durchaus verschiedene Ursachen haben, auf die wir z.B. hier eingehen. Doch gleichzeitig stellen unsere modernen Lebens- und Arbeitsbedingungen für unser Gehör grundsätzliche Belastungen dar, für die unser Ohr nie gedacht und „entwickelt“ wurde. In diesem Video haben Herr Kroll und ich uns damit befasst, welchen Geräuschpegeln und teilweise immensen Belastungen unser Gehör in Alltagssituationen ausgesetzt ist. Gerne auch Teil 2 ansehen.
Natürlich nimmt das Ohr keinen Schaden, wenn wir einmal an einer Bushaltestelle stehen und ein Bus mit einer Lautstärke von 85dB vor uns losfährt. Doch wie sieht es aus, wenn ich jahrelang jeden Morgen an dieser Bushaltestelle stehe? Und jeden Abend? Wie geht es unseren Ohren damit, ungeschützt im Kino unter immensen Lautstärken der modernen Soundsysteme arbeiten zu müssen, ebenso wie in einem vollen Restaurant? Wie wirkt sich das häufige Tragen von Kopfhörern und speziell von In-Ear-Kopfhörern auf das Gehör aus?
Für mich begann nach meinem Hörsturz im Jahre 2016 ein intensiver Lern- und Umdenkprozess, was mein Gehör und vor allem den Schutz desselben angeht. Das geht, wie Sie am Ende von Teil 2 erfahren werden, so einfach und kann einem mit etwas Gewöhnung und Übung in Fleisch und Blut übergehen.
So wie wir unser Gehör brauchen, so braucht unser Gehör uns: Schützen Sie Ihre Ohren!
Ihr Boris Seedorf / Robert Kroll
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