Stress soll für die Symptome von Tinnitus, Schwindel und Schwerhörigkeit verantwortlich sein. Erleidet jemand einen Hörsturz, soll der Betroffene seinen Stress reduzieren. Die Symptome von Druck auf dem Ohr oder auch eine Hörverzerrung sollen psychosomatisch sein. Doch was ist Stress eigentlich ganz genau? Der Begriff wird einfach verwendet und erscheint relativ abstrakt. Ich habe mich auf die Suche gemacht und ein paar ganz interessante Ergebnisse in Studien gefunden.
Haben wir Ängste oder machen wir uns in irgendeiner Weise Sorgen, haben wir emotional Stress. Der Körper produziert daraufhin eine Vielzahl von Stresshormonen, die in kurzen Abständen für den Körper relativ physiologisch und gut verträglich sind. In längeren Stress-Situationen können allerdings dieselben Hormone sehr schädlich sein ( McEwen 2002).Für den ganzen Körper und im speziellen auch besonders für das Ohr. Schon 1950 wurde vermutet, dass der Aktivierung des sympathischen Nervensystems und der damit verbundene Hypertonus mitverantwortlich ist für den Hörverlust bei M. Menière (Seymour, 1952).
Sympathikus Aktivität und das Ohr
Die gesamte Cochlea (Hörschnecke) wird von sympathischen Fasern innerviert. Diese Innervation reguliert über lokale Adrenalin α-Rezeptoren den Blutfluss (Ohlsen 1991). Außerdem gibt es ebenfalls im lymphatischen System des Ohres eine sympathische Innervation. Genauer gesagt im Saccus Endolymphaticus (Birgersson 1992). Durch Stresseinwirkung wird Noradrenalin in diesen „Beutel“ freigesetzt. Auf diese Weise scheint das Ohr seine immunologischen Aktivitäten in den Saccus zu verlagern, damit vermutlich andere Bereiche des Ohres geschont werden sollen. Diese anatomische Erläuterung soll aufzeigen, dass durch Stress (= sympathische Aktivierung) das Ohr direkt beeinträchtigt wird.
Adrenalin
Bei Untersuchungen mit Meerschweinchen wurde die Wirkung auf das Innenohr durch genau dieses Noradrenalin bei einer Langzeiteinwirkung untersucht. Die Tiere bekamen über subcutane Pumpen Noradrenalin über Wochen verabreicht. Die Hörschwelle der Tiere sank stetig auf bis zu 20-45 dB. Und natürlich sei hier auch noch einmal erwähnt, dass Lärm ein Sressor ist und die Noradrenalin Ausschüttung ansteigen lässt (Juhn SK 1999). In weiteren Studien (Gerhardt 1995) wurde den Tieren die Nebennieren entfernt. Die NN produzieren Aldosteron, Cortisol und Adrenalin. Interessanterweise erholten sich diese Tiere nach einem Lärmtrauma schneller als die Tiere in der Kontrollgruppe.
Kortison
Wenn wir unter Stress geraten, wird in der Hypophyse ein Hormon (ACTH) produziert. Dieses Hormon sorgt dafür, dass die Nebenniere körpereigenes Kortison (Cortisol) ausschüttet. Das Cortisol fungiert als eine Art Regulator für die erhöhten Adrenalin Werte. Bei kurzzeitigen Episoden von Stress funktioniert der Mechanismus auch sehr gut. Bei langanhaltenden Phasen von Stress kehrt sich allerdings die Wirkung von Kortisol sogar um und unterstützt die sympathisch-adrenaline Aktivität. Es hat sich bei Studien mit Ratten gezeigt, dass wiederholende Injektionen von ACTH bei Neugeborenen die Konzentration von Adrenalin signifikant erhöht haben. Folgend konnte beobachtet werden, dass diese Ratten dann als Erwachsene empfänglicher für ein akustisches Trauma waren (B. Canlon 2003).
Es sollte gerade auch aus diesem Grund die Gabe von Kortison bei Hörsturz und Tinnitus überdacht werden. Auch wenn die Symptome beim Patienten akut sind, kann der Stress bereits seit Monaten bestehen. Dann ist die Gabe von Kortison aus dieser Sicht eher kontraindiziert.
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